Momentan leistet sich die Top 10 Liga der Kryptowährungen ein Rennen um die tägliche Performance. Für nicht wenige Investoren und Kryptoanleger werden daher – aus ganz unterschiedlichen Gründen – plötzlich steuerliche Fragen unheimlich relevant.
Wir haben daher gemeinsam mit Steuerberater Rüdiger Quermann an einem Interview für unsere Leserinnen und Leser gearbeitet, sodass steuerliche Informationen aber auch gewisse Hintergrundinformationen zu Herrn Quermann einfließen konnten.

Kryptowährungen werden sicherlich auch in Zukunft noch viele steuerliche Fragen aufwerfen, die sich nicht einfach mit etwas Google und „Halbwissen“ beantworten lassen. Umso schöner finden wir es, ein Interview mit einem Steuerberater führen zu dürfen, welcher nicht nur die graue Theorie beherrscht, sondern sich auch ansonsten als sehr IT- und technikaffin zeigt.
Wir möchten an dieser Stelle dem Interview nicht zuvorkommen und wünschen daher lieber viel Spaß beim Lesen:
Chris | bitcoin-live.de: Hallo Herr Quermann, ich falle gleich mal mit der Tür ins Haus. Wie sind Sie eigentlich auf das Thema Bitcoin aufmerksam geworden und wann haben Sie beschlossen dieses Themengebiet auch aus beruflicher perspektive zu nutzen?
Rüdiger Quermann | Steuerberater: Im Privatleben bin ich schon immer internetaffin und technisch interessiert. Ich besuche also neben den berufstypischen Quellen gerne mal Heise & Co. oder spiele mit dem Raspi.
Der berufliche Einsatz entwickelte sich allmählich. Die Bedeutung von Kryptowährung wuchs mit dem Einsatz als weiterer Zahlungsweg und auch dem steigenden Mandanteninteresse an BTC.Ansonsten ist die Nähe zu computernahen Themen alt. Ursprünglich schwankend zwischen den Bereichen EDV und Steuer riet mein Vater zur Steuer »Bei Computern legst du hinterher nur noch Bänder ein«. Auch in der Familie sind technische Themen immer präsent, da mein Sohn Computersicherheit studiert, eine äußerst kryptolastige Materie. Damit hat es auch meine Frau mit zwei Technikbegeisterten nicht immer leicht.
Chris | bitcoin-live.de: Der Bitcoin war ganz zu Beginn ja eher eine technische Spielerei einiger Jungs, die an eine Idee geglaubt haben. Wo sehen Sie hier ggf. Berührungspunkte technischer Natur? IT und Steuern sind ja nun nicht unbedingt sehr naheliegende Themengebiete.
Rüdiger Quermann | Steuerberater: Bitcoin war nicht bloß eine Spielerei, sondern die Lösung eines bis dato offenen Problems der Wissenschaft. Nämlich wie man Vertrauen in einem dezentralisierten Netz-werk herstellen kann (aka. „byzantine generals problem“).
Alleine deshalb war es schon eine bemerkenswerte Leistung. Berührungspunkte gibt es nun spätestens, seit bspw. Dokumente mehr oder weniger fälschungssicher signiert werden können und digitale Signaturen eingesetzt werden. Die Verknüpfung privater und beruflicher Interessen lag da nahe. Dazu kommt, dass die Digitalisierung in der Steuerberatung ein großes kommendes Thema ist.

Chris | bitcoin-live.de: Das ist sehr interessant, Danke. Können Sie diesen technischen Trend respektive die technische Entwicklung der Steuerkanzleien und derer Mandanten auch beobachten, sodass man durchaus davon sprechen könnte, dass die eigentliche Steuerberatung ebenfalls immer technischer wird?
Rüdiger Quermann | Steuerberater: Unter dem Stichwort Digitalisierung gibt es derzeit gewaltige Umbrüche bei – nicht nur – Steuerbehörden und in der Steuerberatung.
Parallel kommen neue Anforderungen an fälschungssichere Aufzeichnungen, die Ordnungsmäßigkeit elektronischer Buchführung und die Kassenführung, Aufbewahrungsvorschriften etc. Allein darüber können wir lange reden. Die reine Arbeitserleichterung durch Automation und Wissensmanagementsysteme ist noch der geringste Aspekt.
Bekanntester Teil der Automation im Steuerwesen ist die ELSTER. Dazu kommt ein zunehmender Umfang digitaler Beleglieferung an das Finanzamt. Das Datenaustauschverfahren ist im übrigen noch recht wacklig und versenkt bei ungeprüften Bescheiden so manchen Steuergroschen.
Das Finanzamt bietet einen zunehmend einfacheren Belegaustausch an und fördert die elektronische Kommunikation. Dem entsprechend setze ich schon seit Jahren auf die Digitalisierung. Ich biete also den beleglosen Datenaustausch an, auch über eine gesicherte Cloud und nicht nur per Mail. Geht natürlich gerne auch mit PGP.
Aber Grundgedanke der EDV ist ja die Bequemlichkeit und das Abholen des Nutzers. Da lag das Angebot der Online-Beratung nahe, da es einfach und bequem ist und Wege vermeidet. Dazu kommt, dass ich auf einige techniknahe Themen spezialisiert bin (Stichwort Blockheizkraftwerke und Photovoltaik), bei denen ich viele überregionale Mandate betreue.
Sehr gerne angenommen wird auch die Beratung per Skype. Viel mehr Bequemlichkeit geht nicht. Skype bietet die Möglichkeit, mit dem Steuerberater in der Hosentasche zum Finanzamt zu gehen.
Chris | bitcoin-live.de: Okay, das erklärt sicherlich auch, warum Sie auf Ihrer Website „Online-Beratungen“ für den steuerlichen Bereich anbieten. Wir selbst haben diese hervorragende und vor allem ortsunabhängige Möglichkeit ja bereits erproben dürfen. Hat der Bitcoin oder eine andere digitale Währung Sie sinnvoll bei diesem „Online-Angebot“ unterstützen können?

Rüdiger Quermann | Steuerberater: Der Nutzer möchte abgeholt werden und sämtliche Dinge möglichst bequem abwickeln, natürlich auch die Zahlung. Bitcoin waren ursprünglich das Angebot eines weiteren bequemen Zahlungsweges. Schön ist natürlich, das die Zahlungen schnell gehen -können- und ein Medienbruch völlig vermieden wird. Auf Wunsch erledigt der Nutzer alles online.
Chris | bitcoin-live.de: Das klingt sehr spannend, aber wäre das „Online-Angebot“ mit einer normalen Währung wie €uro oder USD ebenfalls so problemlos realisierbar oder sehen Sie aufgrund Ihrer Internationalen Mandanten beim €uro oder USD Hürden?
Rüdiger Quermann | Steuerberater: Vorab: Die »internationalen Mandate« sind Deutsche im Ausland oder Digital Natives, die Wurzeln im Inland haben und Ihre Dinge hier geregelt haben möchten. Gerade für die sind Bitcoin aber ein idealer Zahlungsweg.
Das Online-Angebot ist aber mit Fiat auch gut wahrnehmbar.
Chris | bitcoin-live.de: Schön zu hören / lesen, das Sie die Vorteile von Bitcoin für Ihre Online-Steuerberatung nutzen können. Doch wie gehen Sie mit dem Kursrisiko beziehungsweise der oft kritisierten Volatilität um?
Rüdiger Quermann | Steuerberater: Das trifft mich beruflich gar nicht. Das Angebot der Bitcoinzahlung wickele ich von Anfang an über Bitpay ab. Das vermied damals das Umsatzsteuerrisiko und hat sich bis heute als einfach und risikolos bewährt.
Chris | bitcoin-live.de: WOW, das ist ja ganz schön Umfangreich. Die Fragen und Probleme kommen uns jedoch als „Bitcoiner“ sehr bekannt vor. Immer wieder liest man in Foren von Menschen die Hilfe bei der Steuerlichen Präsentation Ihrer Gewinne oder Bestände haben, ist das auch ein klassischer Fall wo Sie helfen können?
Rüdiger Quermann | Steuerberater: Neben den altbekannten Fragen zu BTC ist die Präsentation gegenüber dem Finanzamt und die Aufbereitung der Daten ein wesentlicher Faktor. Dabei sind die Wünsche recht unterschiedlich. Vorweg: Ich meine nicht eine umschriebene Formulierung für Mogeln.
Mancher fürchtet, dass er in der Vergangenheit vielleicht doch steuerliche Pflichten hatte und durch Unterlassung etwas Böses tat. Da müssen wir erst einmal eine Be-standsaufnahme machen und dem Finanzamt dann den Sachverhalt nebst bestmögli-cher Entschuldigung vorlegen. Ansonsten hat die Präsentation aber sehr nützliche fachliche und menschliche Aspekte. Sie schafft Übersicht und Sicherheit. Der Bearbeiter beim Finanzamt kann den Fall verstehen und seinem Vorgesetzten ohne lästige Rückfragen präsentieren. Davon haben dann alle Beteiligte etwas.
Die Steuererklärung fragt jedes Geschäft einzeln ab. Bei Tradern wird diese Darstellung etwas schwierig, wenn sie die Anlagen zur Steuererklärung nicht auf einem Handkarren präsentieren möchten. Hier sieht man auch, dass technische Entwicklung die rechtliche Entwicklung mal wieder überholte.
Ansonsten wird gerade auf Ebene der Kanzlei ein Tool zur Erfassung und Bewertung der Coin-Bestände entworfen.
Chris | bitcoin-live.de: Gehen wir nun davon aus, dass Ihre Mandanten zwar alles gut präsentieren und darstellen können. Doch wird der „Bitcoin“ oder andere digitale Währungen auch von der Finanzverwaltung verstanden? Wir könnten uns vorstellen, das solche Themengebiete für viele Sachbearbeiter noch #Neuland sind.
Rüdiger Quermann | Steuerberater: Aber so was von Neuland. Auch aus dem Grund ist die Präsentation wesentlich.
Auf Ebene einiger Technikbegeisterter ist sicherlich Wissen vorhanden. Die Organisation Finanzverwaltung ist auf das Thema noch nicht eingestellt, wie der Aufbau der Steuererklärung zeigt. Die Verwirrung wurde verstärkt durch verschiedene widersprüchliche Aussagen zu Anfragen des FDP Abgeordneten Frank Schäffler und die Aussage der BAFIN zu Bitcoin als Rechnungseinheit.
Chris | bitcoin-live.de: Sie sind ja nun schon einige Jahre sehr erfolgreich als Steuerberater tätig. Gab es Ihrer Meinung nach schon mal eine vergleichbare Situation, dass da etwas ist, was steuerlich geregelt werden muss, wofür aber per Gesetz bisher kaum oder keine Regeln / Richtlinien vorhanden sind?
Rüdiger Quermann | Steuerberater: Computertechnik war wohl wirklich für die gravierendsten Änderungen verantwortlich, weil sie Konstallationen schuf, die es im real life nicht gab. Gesetzgebung und Rechtsprechung können weitgehend nur auf Situationen reagieren, die es schon gibt, bzw. die vorhersehbar sind. Die Rechtsvorschriften hinken der Realität daher oft nach.
Bekanntestes Szenario ist wohl die Rechtsentwicklung beim ursprünglichen Aufkommen von Computern. Das produzierte Ende der 80er Jahre Vorschriften gegen den Computerbetrug. Weitere Regelungen zu Filesharing und Haftungsfragen folgten. Selbst die Finanzverwaltung hatte sich mit dem Ort der auf elektronischem Weg erbrachten Dienstleistungen zu beschäftigen.
Chris | bitcoin-live.de: Um ehrlich zu sein, uns liegen noch ein paar Themen auf der Zunge. Wir haben nun ein paar Fragen, welche auch uns häufig erreichen. Leider können wir darauf naturgemäß nicht immer oder umfassend Antworten. Unsere Leser würden sich daher sicherlich freuen, wenn wir Ihnen noch ein paar Hintergrundfragen stellen dürften. Wie sehen Sie die Entwicklung der DAO. Man liest immer wieder davon, doch was ist damit eigentlich und wie werden diese DAO möglicherweise steuerlich betrachtet?

Rüdiger Quermann | Steuerberater: Nachdem der Rechtsprechung mit dem Abklingen des Hypes um Second-Life von den Fragen virtueller Unternehmen verschont blieb, muss sie jetzt wohl Antworten liefern.
Die DAO ist ja das Projekt, das stark mit Ethereum verknüpft ist. Die Idee der DAO finde ich klasse. Steuerlich und zivilrechtlich ist THE DAO ein einziges Fragezeichen. Sie ist nach eigener Aussage auf der Website eine dezentrale autonome Organisation »anywhere an nowhere« mit selbstgewählten Regeln »the code is law« und passt in kaum ein rechtliches Schema.
Zentraler Punkt ist, das der Sitz des Gebildes nicht festzulegen ist. Damit ist schon un-klar, nach welchem nationalen Recht die Gesellschaft zu beurteilen ist und die Folge-fragen bleiben offen. Das deutsche Gesellschaftsrecht kennt einen strikten Typen- und Formzwang, der aber dem Gedanken der DAO nicht entspricht. Da die Besteuerung aber primär von der Gesellschaftsform abhängt, ist die Ungewissheit ein Riesenproblem.
Schwierig kann auch die Anonymität werden. Der deutsche Fiskus verlangt die Benennung eines Empfängers und hat formale Anforderungen an Rechnungen, die ob der Anonymität vielleicht nicht erfüllbar sind. Bei den ungelösten Vorfragen ist der Abzug von Betriebsausgaben und Vorsteuer gefährdet. Zumindest einen Teil der Probleme kann die DAO entschärfen, wenn ihre »Satzung« vornherein entsprechend abfasst.
Chris | bitcoin-live.de: Sind Coin eigentliche als Währungen zu betrachten oder stellen diese eher eine beliebige Rechnungseinheit dar?
Rüdiger Quermann | Steuerberater: Bekannt ist die Aussage der BAFIN zur Rechnungseinheit. Die betraf aber ausschließlich den von der BAFIN geregelten finanzwirtschaftlichen Sektor und nicht die Steuer. Da haben wir nach der Entscheidung des EuGH ja wenigstens für die Umsatzsteuer Klarheit, dass BTC WIE Währung behandelt werden und umsatzsteuerfrei sind. Wesentliche andere Fragen sind offen.
Chris | bitcoin-live.de: Gibt es Unterschiede bei der Behandlung verschiedener digitaler Währungen oder spiele es hierbei keine Rolle, ob es sich um Bitcoin, Litecoin oder Ethereum handelt?
Rüdiger Quermann | Steuerberater: Von offizieller Seite fehlen schon belastbare Aussagen zu Bitcoin, geschweige denn zur Behandlung verschiedener Coins. Ich sehe aber mögliche Unterschiede bei der Behandlung von Coins mit Zusatzfunktionen, da diese eben nicht nur eine Zahlfunktion haben, Stichwort »colored Coins« oder im EHT Bereich das »Gas«
Fazit von Rüdiger Quermann:
Steuerliche Fragestellungen müssen niemanden am Einsatz von Kryptowährungen hindern. Er sollte aber die rechtlichen Rahmenbedingungen beachten, um Ertragsein-bußen zu vermeiden.
In dem Zusammenhang habe ich ein Angebot an die Kryptogemeinde:
Wer eine besondere Information zur Rechtslage oder der Rechtsauffassung einzelner Finanzämter hat, kann mir gerne schreiben.
Die Kontaktdaten:
- Rüdiger Quermann – Diplom-Finanzwirt
- Website: http://steuerberater-quermann.de
- Telefon: + 49 (0) 2330 – 74 089
- Mail: quermann@t-online.de
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Veröffentlicht am: 9. Jun 2017